Kohlenhydrate stecken in fast jedem Hundefutter: besonders im Trockenfutter. Aber brauchen Hunde sie überhaupt? Und wenn ja: welche, wie viel und in welcher Form? Kohlenhydrate liefern Energie, aber nicht jeder Hund braucht gleich viel. Hier steht, wie der Hundekörper sie verwertet, wann sie sinnvoll sind und warum Katzen ganz anders damit umgehen.
Kohlenhydrate und die Evolution des Hundes
Um zu verstehen, wie Hunde mit Kohlenhydraten umgehen, lohnt sich ein Blick auf ihre Vorfahren. Die Ernährung von Wölfen enthält weniger als 1 % Kohlenhydrate.1 Ihre Beute besteht hauptsächlich aus Eiweiß und Fett. Kohlenhydrate kommen in rohem Fleisch praktisch nicht vor.
Im Laufe der Zeit haben sich Hunde jedoch verändert. Während der Domestikation entwickelten sie genetische Anpassungen, die es ihnen ermöglichen, stärkehaltige Nahrung wie Brot, Reis oder Kartoffeln zu verdauen. Sie produzieren mehr Enzyme zum Abbau von Stärke als Wölfe.2 Hunde brauchen nicht viele Kohlenhydrate. Sie können sie aber besser verwerten als Wölfe.
Das zeigt sich auch in der Futterauswahl. In einer Studie konnten Hunde zwischen drei Futtermitteln mit unterschiedlicher Zusammensetzung wählen. Sobald sie selbst entscheiden durften, sank ihre Aufnahme von Kohlenhydraten auf nur 7 % der Energiezufuhr.3 Hunde können also Kohlenhydrate verdauen, bevorzugen aber geringere Mengen.
Kohlenhydrate sind also von Natur aus kein wesentlicher Bestandteil des Hundefutters. Aber Hunde haben sich an ihren Konsum gewöhnt. Die Frage ist nicht, ob Hunde Kohlenhydrate fressen dürfen. Wichtig ist, wie viel und in welcher Form sie sinnvoll sind.
Brauchen Hunde überhaupt Kohlenhydrate?
Im Gegensatz zu Eiweiß und Fett haben Hunde keinen essentiellen Bedarf an Kohlenhydraten. Sie können nämlich Glukose selbst aus Eiweiß bilden – durch einen Prozess namens Glukoneogenese.4 Das heißt aber nicht, dass Kohlenhydrate in der Hundeernährung überflüssig sind. Sie liefern effizient Energie und helfen, Eiweiß zu sparen. Wenn ein Hund zu viel Eiweiß zur Energiegewinnung nutzen muss, bleibt weniger für den Muskelaufbau und andere wichtige Aufgaben übrig.
Reine Fleischdiäten enthalten oft nicht nur zu wenig Kohlenhydrate, sondern auch zu wenig Ballaststoffe. Das kann zu Verdauungsproblemen wie Durchfall und einer gestörten Darmflora führen.5 Ballaststoffe sind eine besondere Art von Kohlenhydraten, die kaum verdaut werden und wichtig für eine gesunde Verdauung sind. Ballaststoffe fördern die Verdauung deines Hundes und stabilisieren besonders bei getreidefreier Ernährung den Blutzucker. Sie nähren die guten Bakterien im Dickdarm und sorgen für regelmäßigen Stuhlgang.
Das bedeutet nicht, dass jeder Hund unbedingt Getreide oder stärkehaltige Zutaten braucht. Aber komplett kohlenhydratfreies Füttern hat auch Nachteile. In einer ausgewogenen Ernährung liefern Kohlenhydrate Energie, Ballaststoffe fördern eine gesunde Verdauung und der Eiweißbedarf bleibt im Rahmen. Wie viele Kohlenhydrate ein Hund braucht, hängt von Alter, Aktivität und Gesundheitszustand ab.
Wie gut kann ein Hund Kohlenhydrate verdauen
Nicht alle Kohlenhydrate sind gleich. Die Quelle und die Verarbeitung entscheiden darüber, wie gut ein Hund sie verdauen kann. Gut extrudierter Mais ist beispielsweise gut verdaulich und liefert Energie. Schlecht verarbeitete Stärkequellen hingegen können Magen-Darm-Beschwerden verursachen.6
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Wirkung auf den Blutzucker. Nach einer Mahlzeit steigt der Blutzuckerspiegel meist vorübergehend an. Kohlenhydrate werden meist schneller verdaut als Fett oder Eiweiß, aber das hängt stark von ihrer Art ab. Hülsenfrüchte wie Linsen oder Erbsen führen zu einem viel langsameren Anstieg des Blutzuckers als etwa Reis.7 In derselben Studie war der Blutzucker nach dem Füttern eines Linsendiäts sogar am niedrigsten.
Ballaststoffe können helfen, den Blutzucker stabil zu halten. Sie verlangsamen die Aufnahme von Kohlenhydraten, wodurch Blutzuckerspitzen vermieden werden.8 Das ist besonders hilfreich bei übergewichtigen Hunden oder solchen mit Zuckerproblemen. Aber auch gesunde Hunde profitieren von einer gleichmäßigen Energieversorgung.
Bei Katzen sieht das anders aus. Ihr Blutzuckerspiegel steigt nach stärkehaltigem Futter kaum an. Die Insulinantwort bleibt unabhängig von der Kohlenhydratquelle sehr niedrig.10 Das liegt daran, dass Katzen von Natur aus kaum Kohlenhydrate fressen und nur wenig Hunde können mehr Enzyme zur Stärkeverdauung bilden als Katzen. Trotzdem kommt es darauf an, welche Kohlenhydratquelle im Futter steckt.
Kohlenhydrate und Gesundheit
Kohlenhydrate können die Gesundheit von Hunden auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Für gesunde Tiere sind sie oft eine nützliche Energiequelle. Bei Krankheiten kann es helfen, weniger oder andere Kohlenhydrate zu füttern.
Bei übergewichtigen Hunden können Kohlenhydrate die Energiezufuhr erhöhen, ohne dass der Hund sich wirklich satt fühlt. Ballaststoffreiche Kohlenhydrate sind hier hilfreich: Sie sättigen gut und sorgen dafür, dass der Hund weniger schnell wieder Hunger hat. Gleichzeitig senken sie die Energiedichte des Futters. Das bedeutet: Der Hund kann mehr Volumen fressen, aber mit weniger Kalorien.8 Das ist ideal zum Abnehmen: Der Hund bekommt genug zu fressen, aber nimmt trotzdem ab.
Auch bei Zuckerproblemen können bestimmte Kohlenhydrate von Vorteil sein. Langsam verdauliche Kohlenhydrate mit hohem Ballaststoffanteil führen zu einem gleichmäßigeren Blutzuckerspiegel. Das hilft Hunden mit Diabetes, aber auch gesunden Hunden, um Energieschwankungen zu vermeiden. Wichtig ist, dass das Futter eine konstante Zusammensetzung hat und nicht ständig die Kohlenhydratquellen wechselt.
Bei einigen Krankheiten ist eine kohlenhydratarme Ernährung sogar empfehlenswert. Ein gutes Beispiel ist Epilepsie. Bei schwer behandelbarer Epilepsie kann eine spezielle Diät mit viel Fett und wenig Kohlenhydraten die Anfallshäufigkeit senken. In einer Studie wurde eine solche MCT-Diät (mit mittelkettigen Fettsäuren) mit einer Kontrollnahrung verglichen. Hunde mit MCT-Futter hatten im Schnitt deutlich weniger Anfälle. Einige waren sogar ganz anfallsfrei.9
Fazit: Kohlenhydrate können zur Gesundheit beitragen, aber nicht jeder Hund profitiert davon. Bei manchen Krankheiten ist es besser, weniger davon zu füttern. Deshalb sollte bei gesundheitlichen Problemen immer gemeinsam mit dem Tierarzt das passende Futter gewählt werden.
Getreidefrei oder nicht: was steckt dahinter?
Viele Futtersorten sind heute „getreidefrei“. Das klingt gesund, sagt aber wenig über die tatsächliche Qualität aus. Getreidefreies Futter enthält oft trotzdem viele Kohlenhydrate. Nur eben aus anderen Quellen wie Kartoffeln, Süßkartoffeln oder Hülsenfrüchten. Viele Hersteller wählen solche Zutaten, weil sie gut ankommen – nicht, weil sie dem Hund besonders nützen.
Studien zeigen, dass getreidefreie Futtersorten oft reich an Hülsenfrüchten wie Linsen und Erbsen sind. Diese lassen den Blutzucker langsamer ansteigen, sind aber auch weniger gut verdaulich als z. B. Reis. Bei langfristiger Fütterung kann das Risiko für Mangelerscheinungen steigen, etwa bei Taurin, einer Aminosäure, die für die Herzgesundheit wichtig ist.7
Hinzu kommt: „Getreide“ ist ein weiter Begriff. Gut aufgeschlossener Mais oder Reis kann sehr gut verdaulich sein und dem Hund wertvolle Energie liefern.6 Die entscheidende Frage ist nicht, ob Getreide enthalten ist. Wichtig ist, welches Getreide enthalten ist, wie es verarbeitet wurde und in welcher Menge es vorkommt.
Getreidefreies Futter ist nicht automatisch die bessere Wahl. Und nicht jeder Hund profitiert davon. Nur wenn eine echte Unverträglichkeit gegenüber bestimmten Getreidearten besteht (was selten ist), kann es sinnvoll sein. In allen anderen Fällen ist es besser, das Futter als Ganzes zu betrachten: Welche Eiweiße und Fette sind enthalten, wie viele Ballaststoffe, und wie gut ist das Futter verdaulich?
Warum Katzen Kohlenhydrate kaum verwerten können
Bei Katzen sieht die Sache ganz anders aus als bei Hunden. Sie sind echte Fleischfresser und beziehen ihre Energie fast ausschließlich aus Eiweiß und Fett. Ihr Stoffwechsel ist darauf spezialisiert. Sie produzieren kaum Enzyme zur Stärkeverdauung und zeigen nach stärkehaltigem Futter kaum einen Anstieg des Blutzuckers.10 Ihr Körper kann Kohlenhydrate einfach nicht gut nutzen.
In der Praxis bedeutet das: Ein hoher Anteil an Kohlenhydraten, vor allem Stärke, kann bei Katzen schnell zu Problemen führen. Bei Typ-2-Diabetes wird häufig eine proteinreiche und kohlenhydratarme Diät empfohlen, weil diese besser zum natürlichen Stoffwechsel der Katze passt und hilft, den Blutzucker zu stabilisieren.11
Obwohl es in diesem Artikel hauptsächlich um Hunde geht, ist es wichtig, den Unterschied zu verstehen: Hunde haben sich an eine gewisse Menge Stärke angepasst. Katzen sind dagegen Fleischfresser geblieben, und sie haben nur eine sehr begrenzte Toleranz für Kohlenhydrate.
Zusammenfassung und Tipps für Hundehalter
Kohlenhydrate sind nicht per se gut oder schlecht. Entscheidend sind der einzelne Hund, sein Gesundheitszustand und die Zusammensetzung des Futters. Hunde können Kohlenhydrate gut verdauen, bevorzugen aber von Natur aus eine eher kohlenhydratarme Ernährung. Gut verarbeitete stärkehaltige Zutaten wie Reis oder Mais können wertvolle Energie liefern.
Worauf du bei der Futtersuche achten solltest, zeigen unsere Vergleiche, sortiert nach Nass- und Trockenfutter für Hunde und Katzen.
- Achte nicht nur auf „getreidefrei“, sondern auf die Gesamtzusammensetzung.
- Enthält das Futter Ballaststoffe? Die fördern eine gesunde Verdauung und halten den Blutzucker stabil.
- Wenn keine Kohlenhydrate im Futter stecken, braucht der Hund mehr Eiweiß. Das ist aber nicht in jedem Fall sinnvoll oder nötig.
- Bei Krankheiten wie Epilepsie oder Diabetes kann es sinnvoll sein, die Kohlenhydratmenge im Futter zu verändern. Besprich das am besten mit deinem Tierarzt.
Ein gutes Grundwissen über Kohlenhydrate hilft, bessere Entscheidungen für deinen Hund zu treffen. Am Ende zählt, dass das Futter zum Tier passt, nicht aber zum Werbeslogan auf der Verpackung.
Quellen
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